X. Internationale Sommerschule: 'Russland im Spannungsfeld zwischen Europa und seinen imperialen Peripherien'

X. Internationale Sommerschule: 'Russland im Spannungsfeld zwischen Europa und seinen imperialen Peripherien'

Organizer
Historische Fakultät der Staatlichen Universität Voronezh; in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin
Venue
Location
Voronezh (Russische Föderation)
Country
Russian Federation
From - Until
20.08.2014 - 09.09.2014
Deadline
09.05.2014
By
von Horn, Rodrigo

Bereits zum zehnten Mal veranstaltet die Staatliche Universität Voronezh in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität zu Berlin eine DAAD-Sommerschule mit dem Thema “Russland im Spannungsfeld zwischen Europa und seinen imperialen Peripherien”. Das Programm richtet sich in erster Line an Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften, ist aber generell für Interessierte aller Fachrichtungen offen.

Programm

Die Sommerschule der Staatlichen Universität Voronezh umfasst einen Intensivsprachkurs (getrennte Gruppen für AnfängerInnen und Fortgeschrittene), Seminare und Vorträge zum Thema „Russland im Spannungsfeld zwischen Europa und seinen imperialen Peripherien“ sowie ein Exkursionsprogramm. Den Schwerpunkt der Sommerschule bildet der Fachkurs, der aus zwei Seminaren besteht. An Werktagen findet der Sprachunterricht vormittags statt. Der Nachmittag bleibt je einer Seminarsitzung des Fachkurses und einem Vortrag vorbehalten. Die Wochenenden sind dem Exkursionsprogramm gewidmet.

Sprachkurs: Nach der Anreise in Voronezh erfolgt die Einteilung der TeilnehmerInnen gemäß deren Sprachkenntnissen in kleine Gruppen. Als DozentInnen fungieren ausgewiesene und im Umgang mit Sprachunkundigen erfahrene SprachlehrerInnen. Der Sprachunterricht nimmt täglich zwei bis drei Stunden in Anspruch. Angeboten werden neben dem Erwerb umgangssprachlicher Fähigkeiten auch Komponenten der Fachsprache.

Fachkurs: Russland war ein Imperium, das aus der Peripherie entstand. Jahrhundertelang existierten die „Länder der Rus'“ als verstreute und miteinander konkurrierende Stadtstaaten, die in ihrer Existenz von der ordnenden Hand großer Machtzentren abhängig waren. Dies änderte sich erst im 16. Jahrhundert, als der Moskauer Fürst Iwan IV. nicht nur sich selbst die Macht des Großfürsten der Goldenen Horde zusprach, sondern zugleich das Erbe des Byzantinischen Reiches für Moskau beanspruchte. Das Moskauer Reich wurde dadurch zum Imperium, dass es sich von der Peripherie zum Zentrum umdeutete und die daraus abgeleitete imperiale Mission über die nächsten Jahrhunderte nicht nur halten, sondern auch ausbauen konnte.

Der Name „Imperium“ wurde Russland allerdings erst verliehen, als der junge Zar Peter 1703 eine neue Hauptstadt bauen ließ und sein Reich nach dem Vorbild der absolutistischen Königreiche Westeuropas reformieren wollte. Das Imperium stand nun für ein ehrgeiziges politisches Programm, durch das Russland „modernisiert“ werden sollte. In den Eliten des Reiches entstand daraus das intellektuelle Bedürfnis, Russland immer wieder, in Abhängigkeit von westlichen Vorbildern, als „rückständig“ wahrzunehmen und Wege zu propagieren, wie diese Rückständigkeit zu überwinden sei. Die Verortungen Russlands schwankten dabei zwischen der vorbehaltlosen Unterwerfung unter das westliche Vorbild („Westler“) und dem Beharren auf kultureller Eigenständigkeit („Slawophile“).

Nun wird dabei allerdings häufig übersehen, dass diese Diskussionen und die daraus entwickelten Lösungswege weite Teile des Landes gar nicht erreichten. Die Bemühungen des Zentrums, die imperiale Weite zu beherrschen und in ihrem Sinne zu „modernisieren“, liefen oftmals ins Leere oder vollzogen sich nicht so, wie sich das die Minister und Beamten in Moskau und St. Petersburg vorstellten. Dadurch entstanden Freiräume unterschiedlichen Ausmaßes, die wiederum auf das Zentrum zurückwirkten und von diesem Reaktionen einforderten. Diese Reaktionen konnten repressiv und brutal sein, sie konnten aber auch einen ausgeprägten Pragmatismus widerspiegeln und zu verblüffenden Lösungen führen, wenn es darum ging, die Loyalität der verschiedenen Regionen zu sichern. Es zeigte sich dabei, dass der russländische Staat immer wieder von seinen Modernisierungsprämissen abweichen konnte, wenn es darum ging, die Stabilität seiner Herrschaft in den Peripherien zu sichern.

Im Fachkurs soll Russland als Imperium in Vergangenheit und Gegenwart untersucht werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Bemühungen russischer Intellektueller, Russland in der Welt und mit Blick auf „den Westen“ zu verorten, sowie der Interaktion zwischen Zentrum und Peripherie. Der Fachkurs besteht aus zwei Seminaren, die aufeinander aufbauen. Um diese gruppieren sich Vorträge, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Voronezh und anderen Städten gehalten werden. Die TeilnehmerInnen werden vorab mit einer Literaturliste versorgt, die die gezielte Vorbereitung auf die Sommerschule erleichtern soll. Für beide Seminare wird ein Reader zur Verfügung gestellt.

Seminar 1 „Russland und der Westen: Imperiale Ambitionen, Konkurrenz und Anziehung“ – Leitung: Dr. Sergej G. Allenov: Im Mittelpunkt des Seminars steht das widerspruchsvolle Verhältnis Russlands zum - nicht immer konkretisierten - Westen. Dieser stand den imperialen Bestrebungen Russlands im Wege, und er konkurrierte mit ihm in zahlreichen Bereichen. Gleichzeitig übte der Westen, vor allem Westeuropa, auf Russland eine starke Anziehungskraft aus, was auch umgekehrt zutraf. Im Seminar wird nach den wechselseitigen Einflüssen seit dem Mittelalter, nach der Wahrnehmung des Westens im gesellschaftlichen Denken in Russland im 19. und 20. Jahrhundert, nach dem Wechselverhältnis zwischen der „Europäisierung Russlands“ und der „Russifizierung“ Europas sowie nach der Wahrnehmung des jeweils Anderen in der Gegenwart gefragt. Im Zentrum stehen ideen- und kulturgeschichtliche Fragestellungen.

Seminar 2 „Staat und Peripherien“ – Leitung: Rodrigo von Horn, M.A.: Schwerpunkt dieses Seminars ist ein historiographischer Blick auf die imperialen Herrschaftskonzepte des Russichen Reiches und der Sowjetunion sowie die in ihnen praktizierte Interaktion zwischen Zentrum und Peripherie. Ausgangsfragen sind, wie Herrschaft vom Zentrum aus ergriffen und ausgeübt, wie diese jenseits von Moskau und Petersburg angenommen oder abgelehnt wurde, und welche Konsequenzen sich daraus in den Regionen, im Zentrum und letztlich im gesamten Imperium ergaben. Im Rahmen des Seminars sollen Fragen nach „dem Wesen des russischen Staates“, nach der Bedeutung von Regionen und Peripherien in der russischen Geschichte und Gegenwart und nach historisch bedingten Problemen des heutigen Staates und der Gesellschaft diskutiert werden.

Vortragsprogramm: Die Seminare werden durch ein breitgefächertes Vortragsprogramm ergänzt. Dazu lädt die Sommerschule jährlich eine Reihe von Gastrednerinnen und -rednern ein, darunter MitarbeiterInnen der Voronezher Hochschulen, VertreterInnen lokaler Unternehmen und – nicht zuletzt – AktivistInnen politischer Parteien und nichtstaatlicher Organisationen.

Exkursionsprogramm: Das Exkursions- und Kulturprogramm umfasst neben einer Stadtführung durch Voronezh auch diverse Ausflugsziele im zentralen Schwarzerdegebiet, die intensive Einblicke in die Geschichte und Landschaft der Region ermöglichen und verschiedenen Facetten des gesellschaftlichen Lebens im heutigen Russland erfahrbar machen. Zum festen Programm der Sommerschule gehören beispielsweise das Kloster von Zadonsk, ein Zentrum der russisch-orthodoxen Kirche, die am Don gelegene Stadt Pavlovsk, deren Gründung untrennbar mit dem Flottenbau Peters I. verbunden ist, sowie ein Besuch des Naturschutzgebietes in Divnogor'e. Ferner sind Exkursionen zu verschiedenen Gedenkorten geplant, die die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Erbe des Stalinismus und des Zweiten Weltkrieges in der Region widerspiegeln.

Contact (announcement)

Rodrigo von Horn

Staatliche Universität Voronezh, Universitetskaja pl. 1, 394006 Voronezh / Russland

r.vonhorn@gmail.com

http://www.vsu.ru/intschule/hist_de.html
Editors Information
Published on
31.01.2014
Classification
Temporal Classification
Regional Classification
Additional Informations
Country Event
Language(s) of event
German
Language of announcement